Schlosstheater
Ein Theater in der zweiten Etage? Eine Bühne im Turmrund? Das Schlosstheater Celle ist in mehrerlei Hinsicht eine Besonderheit. Seine erste Bühne wurde nachträglich in die bestehende Vierflügel-Anlage eingebaut und zählt zu den ältesten bespielten Barocktheatern Europas. Es gehört – zusammen mit der Schlosskapelle und dem Laves-Treppenhaus – zu den einzigen drei Bauteilen des Celler Welfenschlosses, die noch im ursprünglichen Sinne ihrer Erbauung erhalten sind und genutzt werden.
An drei Spielstätten allein im Schloss (Schlosstheater in der zweiten Etage und die zwei Studiobühnen Malersaal und Turmbühne), im Sommertheater im Schlossinnenhof und in der HALLE 19 auf dem Gelände der CD-Kaserne sowie auf zahlreichen Gastspielen im Landkreis wird möglichst allen Menschen der Region Theater geboten - von der Gegenwartsdramatik über Klassiker, von musikalischen Produktionen über Film- und Romanbearbeitungen bis zu Stückentwicklungen ist alles dabei. Mehrere Produktionen spielen im Kinder- und Jugendtheaterprogramm auch vormittags für Schulen und Kitas. Mit über 20 Neu-Produktionen pro Jahr, die sich mit programmatischer Breite an alle Altersgruppen wenden, bietet es nicht nur künstlerische Vielfalt, sondern setzt hierbei auch thematische Akzente für Stadt und Region, bietet kooperative Schnittstellen zum Bildungsbereich und anderen kulturellen Aktivitäten.
Gut 120 Beschäftigte, davon 17 festangestellte Schauspieler*innen, bringen an die 600 Veranstaltungen jährlich auf die Bühnen und erreichen bis zu 90.000 Besucher*innen. Das Profil des Schlosstheaters wird durch eine Kammermusikkonzertreihe sowie ein umfangreiches Rahmenprogramm abgerundet.
HISTORIE
Das Schlosstheater Celle feiert 2025 sein 350-jähriges Bestehen. Diese kulturelle Erfolgsgeschichte verweist vor allem auf seine Umbrüchen. Europäische Einflüsse führten zur Erbauung: Als Ausdruck des höfischen Glanzes wurde diese barocke Spielstätte in den Mauern der Celler Residenz in den Jahren 1670 bis 1675 auf Anregung des Opernliebhabers Georg Wilhelm, Fürst von Lüneburg aus dem Haus Braunschweig und Lüneburg, und seiner kunstsinnigen Gattin Eléonore d‘Olbreuse erbaut. Auf der „Komödienbühne“ fanden, dem Zeitgeschmack entsprechend und in Anlehnung an die französische Hofkultur, überwiegend Aufführungen französischer Komödien statt. 1690 verpflichtete Georg Wilhelm, der auf Reisen die ‚commedia del arte‘ kennengelernt hatte, eine italienische Schauspieltruppe – damals ein Novum. Nach der Verlegung der Residenz nach Hannover 1705 lag das Theater für einige Jahrzehnte mehr oder weniger brach.
Seine Wiederbelebung, bauliche Erweiterung und Öffnung hin zum Bürgertum erlebte das Schlosstheater zur Zeit der Aufklärung, als die dänische Königin Caroline Mathilde wegen ihrer Beteiligung an einer „Revolution von oben“ nach Celle verbannt wurde. Ab 1772 wurde unter anderem das Theater umgebaut, der Grundriss glockenförmig angelegt, ein Orchestergraben sowie die große Mittelloge (heute „Fürstenloge“) eingebaut. Auf den Zustand der 1770er Jahre geht der heutige Zustand des Theaters nach fachlicher Restaurierung und Rekonstruktion 2012 zurück.
Ab 1816, als Celle nach Hannover zweite Residenzstadt des Königreiches Hannover geworden war, kamen regelmäßig Dramen und musikalische Werke durch das königliche Schlosstheater Hannover zur Aufführung, ergänzt durch Gastspiele aus Bremen und Braunschweig. In den späten 1880er Jahren wurde der Spielbetrieb eingestellt und das Theater verfiel zunehmend. Im Ersten Weltkrieg wurde es zeitweise sogar als Lazarett und Kriegsgefangenenlager genutzt.
1935 wurde es umfassend, jedoch völlig ahistorisch renoviert und wiederbelebt. Aus dieser Zeit stammt unter anderem das „Rote Treppenhaus“ durch das das Publikum bis heute zum Theatersaal geht. Fast während der gesamten Kriegszeit wurde das Theater bespielt, federführend organisiert von der „NS-Kulturgemeinde“ und „Kraft durch Freude“. Noch am 09. März war „Staatsschauspieler“ Will Quadflieg als Rezitator zu Gast. Eine umfassende Aufarbeitung der NS-Geschichte des Theaters steht noch aus.
Bereits unmittelbar nach Kriegsende fanden im Schlosstheater Konzerte und gelegentliche Gastspiele von Ensembles, deren Schauspielhäuser ausgebombt worden waren, statt. Schließlich wurde das Schlosstheater 1950 in der damals noch jungen Demokratie durch die Gründung eines bürgerschaftlichen Trägerverein als ein kommunales Theater des Landes verankert. Die Stadt Celle hatte 1948 das alleinige Nutzungsrecht für das unzerstörte Theater erhalten. Diese Wiederbelebung durch das bürgerschaftliche Engagement des Theatervereins,dessen Vorstand Stadt und Landkreis Celle sowie die niedersächsische Landesregierung angehören und der bis heute Rechtsträger des Theaters ist, sichert nunmehr seit (fast) 75 Jahren den Erfolg des Schlosstheaters mit eigenem Ensemble ab. Seither wird das Schlosstheater dauerhaft bespielt und von seinen Abonnentinnen und Abonnenten gestützt. Diese Rechtsform eines Theaters solcher Größe gilt in der deutschen Theaterlandschaft als einmalig.
Die aufwendige Sanierung des Schlosses und seines Theaters zwischen 2010 und 2012 unterstreicht die landesweite Relevanz dieser Kulturinstitution.
Das Schlosstheater hat sich in den letzten 10 Jahren auch neuen Besuchergruppen zugewandt. Es führte 2014 ein verstetigtes Angebot für Bildungseinrichtungen ein. Im Zuge dieser Programm-Erweiterung für ein Kinder- und Jugendtheater wurde 2014/15 die Halle 19 errichtet.
Das Schlosstheater Celle hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich Themen zugewandt, die die Region als Geschichtslandschaft prägen. Beispielhaft gehören hierzu:
• Kultur- Geschichte(n) der Residenz
• Geschichte(n) der Öl- und Energiewirtschaft
• Erinnerungskultur der Jeziden
• Geschichte der Vertriebenen und Geflüchteten zu allen Zeiten
• Geschichte des Bauhauses
• Geschichte der Celler Reformation
• Geschichte(n) der Stadtgesellschaft, der wirtschaftlichen und sozialen Verbundenheit
• Geschichte des Celler Lochs
Ein besonderes Augenmerk der „Celler Dramaturgie“ galt und gilt dabei dem einstigen Konzentrationslager Bergen-Belsen, den Umständen der Befreiung des Lagers und den Jahren nach Kriegsende, in denen Verfolgte und Verfolger, Opfer und Täter in unmittelbarer Nachbarschaft und doch in getrennten Sphären nebeneinander lebten.
Durch die Institution des Schlosstheaters verfügen die Stadt und der Landkreis Celle - wie Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Osnabrück, Göttingen, Hildesheim, Lüneburg und Wilhelmshafen - über ein eigenes, kommunales Theater, das zur Identität von Stadt und Landkreis maßgeblich beiträgt.
Das Schlosstheater gehört zu den ältesten bespielten Barocktheatern Europas, dessen historische Spielstätte dem heutigen, modernen Theater seinen Namen gab und Tradition und Moderne verbindet.
Fakten Schlosstheater
Bühnen: Schlosstheater (historischer Raum), Studiobühnen im Schloss (Malersaal, Turmbühne), Sommertheater im Schlossinnenhof, HALLE 19 (in der ehemaligen Panzerhalle auf dem Gelände der CD Kaserne)
Probebühnen in der HALLE 19
120 Mitarbeiter*innen
20-22 neue Produktionen / Spielzeit
Festes Ensemble: 17 und Gäste
rund 600 Vorstellungen an 320 Tagen
Theater-Spielclubs: Kids-Club, Jugendclub, Theater-Club (alle Generationen) - die ihre Produktionen an mind. drei Abenden vor der Sommerpause zur Aufführung bringen
Theatersaal erbaut um 1673-75, Umgebaut unter Caroline Mathilde, umfassende Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten sowie Einbau modernster Belüftungs- und Bühnentechnik 2010-2012
Innenraum
Der Zuschauerraum bietet im Parkett und in den zwei Rängen, von denen der zweite im 18. Jahrhundert nachträglich hinzugefügt wurde, insgesamt 330 Sitzplätze (davon 298 Sichtplätze). Mit Ende der Spielzeit 2009/2010 zog das Theater in ein Übergangsdomizil in der „Residenzhalle“ auf dem Gelände der ehemaligen Cambridge-Dragoner-Kaserne um, da das Theater und ein Schlossflügel umgebaut wurden. Neben dringend nötigen baulichen Maßnahmen sollte der Innenraum originaler an das Barock angelehnt werden und verändernde Elemente aus der Sanierung der Jahre 1935-1939 wurden rückgebaut.
Seit der Eröffnungspremiere am 12. Oktober 2012 wird wieder an historischer Stätte im Celler Schloss gespielt. Nach der Erneuerung ist eine zweite Studiobühne hinzugekommen, die "Turmbühne", die am 13. Oktober 2012 mit der Uraufführung von "Viel Rauch und ein kleines Häufchen Asche" von Ralf-Günter Krolkiewicz eingeweiht wurde. Heute gehören zum Schlosstheater Celle zwei Studiobühnen im Schloss (Malersaal und Turmbühne mit 40 bzw. 56 Plätzen).
Im Sommer findet im Innenhof des Schlosses das Freiluft-Sommertheater statt.
Mit Beginn der Intendanz von Andreas Döring wurde der Spielbetrieb von en Suite auf Repertoire umgestellt und das Programm im Bereich Kinder- und Jugendtheater eingeführt. Hierzu wurde die HALLE 19 auf dem Gelände der CD-Kaserne an der Hannoverschen Heerstraße errichtet und 2015 eröffnet.
Intendanz
1956–1972 Hannes Razum
1972–1993 Eberhard Johow
1993–1998 Serge Roon
1998–2008 Karin H. Veit
2009–2014 Bettina Wilts
Seit der Spielzeit 2014/15 ist Andreas Döring Intendant des Schlosstheaters.
Technische Daten
Ca. 100 Scheinwerfer 20 Züge, 3 x 18 stationäre Dimmer mit 96 Kanälen zur Komposition von Lichtstimmungen
Fassungsraum: 298 Sitzplätze, 2 Rollstuhlplätze
plus 32 Hörplätze (mit Sichteinschränkung)
Parkett und 2 Ränge
Bühnenraumbreite: 10,25m, max. 7m im hinteren Bereich, Tiefe: 8,5 m von Bühnenkante, 6,7m vom Portal
Höhe bis zum Rollenboden: 8 m
Höhe bis zur ersten Arbeitsgalerie: 3,77 m
Portalbreite: 12 m
Portalhöhe max.: 3,7 m, Schmuckportal 4,35m
Keine klassische Seitenbühne
Besonderheiten
Ein fest eingebauter Scherenhub, einer von weltweit zwei dieser Art, transportiert Kulissenteile und Requisiten aus dem Betriebshof zum Fensterportal auf der Schlossrückseite bis zur „Seitenbühne“.