Landesbühne Nord (Wilhelmshaven)
Schlosstheater
Als die Geschwister Philipp und Nicola gemeinsam mit ihren Partner*innen das Haus des verstorbenen Vaters ausräumen, ist die Atmosphäre alles
andere als harmonisch. Während Philipp einen emotionalen Wert mit den vererbten Gegenständen verbindet, neigt Nicolas Pragmatismus zu deren
schnellen Entsorgung. So soll auch ein zunächst unscheinbares Landschaftsaquarell mit der Signatur A. Hiller im Müll landen. Jedoch ändert sich
die Ausgangslage völlig, als sich herausstellt, dass ein „l“ wohl eher ein „t“ zu sein scheint und somit kein anderer als Adolf Hitler der Maler ist. Die
Frage, was mit dem Fund geschehen soll, entzündet eine hitzige Auseinandersetzung zwischen den vier Erwachsenen. Wäre es denn verwerflich, aus
Nazi-Kunst Profit zu schlagen? Nicola, die das Gemälde längst als wertvolles Erbe sieht und ihren Bruder von dessen wirtschaftlichen Bedeutung für
die Familie überzeugen kann, ist ihre Schwägerin Judith mit ihrer Sichtweise als Jüdin ein Dorn im Auge. Erfolglos bleiben auch Philipps Bemühungen, seine Frau mit dem Vorschlag zu besänftigen, einen Teil des Geldes für einen guten Zweck an jüdische Einrichtungen zu spenden. Schließlich
offenbart sich in der Debatte um den „wertvollen“ Nachlass ein entscheidender Haken. Denn für den Wert des Bildes ist einzig allein die Herkunft
ausschlaggebend, erklärt Kunsthistorikerin und Hitlerexpertin Dr. Evamaria Günther, die ihre Bewunderung für Hitlers Werke vollkommen unverblümt
zum Ausdruck bringt. Schnell sind jegliche moralische Bedenken abgelegt und Nicola liefert eine überzeugende Provenienz, bei der die eigene
Großmutter eine Affäre mit Hitlers Sekretär gehabt haben soll. Doch kaum ist der Stammbaum braun durchzogen, eskaliert der familiäre Streit, in
dem antisemitische Vorwürfe und überspitzte Provokationen schonungslos auf den Tisch kommen. Das Chaos perfektioniert sich, als ein potenzieller
Käufer ein unmoralisches Angebot macht und damit die letzten ethischen Werte im Raum schwinden lassen.
Mit NACHTLAND kreiert der Dramatiker Marius von Mayenburg eine bitterböse Unterhaltungskomödie über das Erbe deutscher Vergangenheit, in
der er Phrasen, Floskeln und Rollenbilder mit urkomischer Präzision in Szene setzt. Dabei entwirft er ganz beiläufig das Bild einer zutiefst zerrütteten Familie, deren Fassade im Laufe des Stücks immer mehr zerfällt. Schon zu Beginn kommen alte Konflikte an die Oberfläche und erzeugen ein
emotional-aufgeladenes Spannungsfeld zwischen den Familienmitgliedern, die alle unterschiedliche Weltanschauungen haben. Während das Bühnenbild, ein entrümpelter Wohnraum, das Zentrum der Handlung bildet, liegt der Fokus auf den Figuren, die in rasanten Dialogen und mit bissigem
Humor antisemitische Klischees bedienen. Damit spiegeln sie in satirischer Schärfe den hochaktuellen Diskurs um Antisemitismus in Deutschland.
Von Mayenburg regt zum Nachdenken an und lässt dem Publikum Raum zur eigenen Bewertung von historischer Verantwortung, gesellschaftlichen
Entwicklungen und des Nahostkonflikts.
Ursprüngliche Premiere Samstag, 25.01.2025, TheOs Wilhelmshaven
Nicole Hannah Sieh a.G.
Philipp Jeffrey von Laun
Judith Anne Weise
Fabian / Kahl Sven Heiss
Evamaria / Luise Sibylle Hellmann a.G
Regie Maximilian J. Schuster
Bühnen- und Kostümbild Marina Schutte
Beleuchtung Lukas Rasche
Dramaturgie Julia Keller
Regieassistenz Patrick Rudolph
Inspizienz Birgit Stuckenbrok